Großes Interview mit Leona Machálková

Solange es mir singt, mache ich weiter … Interview mit der Sängerin Leona Machálková über Kindheit und Jugend in Mähren, über Bořek Šípek, Václav Havel und Jiří Suchý sowie über einen gesunden Lebensstil, der auf Balance und Ehrlichkeit zu sich selbst basiert Von Milan Ohnisko befragt Leona, ich habe gelesen, dass Sie in Zlín geboren […]

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Solange es mir singt, mache ich weiter …

Interview mit der Sängerin Leona Machálková über Kindheit und Jugend in Mähren, über Bořek Šípek, Václav Havel und Jiří Suchý sowie über einen gesunden Lebensstil, der auf Balance und Ehrlichkeit zu sich selbst basiert

Von Milan Ohnisko befragt

Leona, ich habe gelesen, dass Sie in Zlín geboren sind.

Ja, aber damals hieß es noch Gottwaldov. Nach der Revolution im Jahr 1989 habe ich allerdings in meinem Personalausweis persönlich Gottwaldov durchgestrichen und Zlín drübergeschrieben… Nach meiner Geburt habe ich zwei Jahre lang mit meinen Eltern in einer Wohnung im kleinen Bahnhof von Tlumačov gelebt, wo mein Großvater mütterlicherseits als Schaffner gearbeitet hat.

Das klingt romantisch.

Es klingt sicherlich romantisch, aber ich erinnere mich nicht mehr an viel aus dieser Zeit… Ich weiß nur, dass es meine Mutter nicht leicht hatte. Mein Vater war beim Militär, wir hatten nicht viel Geld, und so musste meine Mutter ab meinem halben Jahr auf der Post arbeiten und wechselte sich mit meiner Großmutter bei dem Babysitten ab. Später zogen unsere Eltern nach Přerov, wo mein Vater eine Arbeit in den in Tschechien bekannten „Přerovských strojírnách“ bekam. Sie leben heute noch dort.

Zu meiner Oma und meinem Opa fuhr ich zu dem kleinen Bahnhof auf dem Land sehr gerne. Gemeinsam mit meiner Cousine und meinem Cousin spazierten wir oft in der Umgebung herum. Wir haben eine Zeit lang auch auf Scahffner und Passagiere gespielt. Wir hatten viele alte Fahrkarten und Zangen zur Verfügung, mit denen wir sie knipsen konnten. An den Duft der Bahnschwellen erinnere ich mich bis heute und das Hupen bzw. das Bremsen der Züge stört mich nicht – ganz im Gegenteil, ich nehme es als Kulisse wahr.

Was ist Ihre älteste Erinnerung?

Damals war ich etwa drei Jahre alt. Ich schiebe einen grauen Kinderwagen und darin liegt meine Puppe Zuzanka.

Und weitere frühe Erinnerungen aus Ihrer Kindheit?

Ich kann mich ziemlich genau an unsere Wohnung in der Jeremenko-Straße und ihre unmittelbare Umgebung erinnern. Es war eine Erdgeschosswohnung und manchmal hat uns jemand unters Fenster gekackt. (lachen)

Ich kann mich auch daran erinnern, wie ich mir eine Decke an den Zaun gelegt habe und mir daraus ein Zelt machte und darin mit meinen Puppen spielte, für die ich auch ab und zu gerne etwas nähte oder „häkelte“, was mir meine Omas beigebracht hatten. Zu meinen frühen Erinnerungen gehört auch, dass zu uns auf die Siedlung in Přerov ein Eisverkäufer mit einem Eiswagen kam, den er schob, und ich mir für fünfzig Kronen eine Kugel Eis in einem Waffelbecher kaufen konnte.

Und so könnte ich weitermachen… Ab dem dritten Lebensjahr habe ich schon relativ viele Erinnerungen.

Wer sind Ihre Eltern? Haben Sie Geschwister?

Ich habe eine 13 Jahre jüngere Schwester, Adélka. Ich erzähle oft, dass es sich angefühlt hat, als hätten die Eltern zwei Einzelkinder gehabt. Ich führte sie zum Kindergarten und babysittete oft. Nach dem Abitur ging ich im Grunde nach Olmütz und pendelte übers Wochenende. Mit der Zeit hat sich unser Altersunterschied angeglichen, wobei ich muss auch hier sagen muss, dass wir nicht oft zusammen Zeit verbringen, da meine Schwester seit über 20 Jahren in Italien lebt, wo sie auch geheiratet hat.

Und meine Mutter war ihr Leben lang in administrativen Berufen tätig. Ich ging sehr gerne nach der Schule zu ihr ins Tschechische Statistische Amt, wo sie damals gearbeitet hat. Das Papier und die Bleistifte haben immer wunderbar gerochen, das ganze Büro-Leben, das meine Mutter mit Bravour meisterte und ihr Spaß machte…Heute muss ich schmunzeln, wie mich diese Bürokratie faszinierte und anlockte, denn wenn ich heutzutage einen Fragebogen ausfüllen muss, schiebe ich es immer wieder auf und es erledigt mich …

Mein Vater war gelernter Schlosser. Später machte er seinen Abschluss an der Fachoberschule, wobei er sein Leben lang als Bohrer in den „Přerovských strojírnách“ gearbeitet hat. Mit der Schule machten wir oft Exkursionen dorthin, um die arbeitende Bevölkerung zu besuchen. So konnte ich mir ein gutes Bild von der Umgebung machen, in der mein Vater arbeitete. Bis heute bewundere ich ihn dafür, da die Arbeit an sich und die Umstände ziemlich hart waren. Es war dort furchtbar kalt, ungemütlich, wobei es nach Eisen und Spänen roch, was ganz seinen eigenen Reiz hatte… Die Hände meines Vaters rochen oft wunderbar nach Eisen, selbst wenn nachdem er sie mit Seife gewaschen hatte.

Bei Mama rochen die Bleistifte wunderbar, bei Papa das Eisen… Sie sind wahrscheinlich sehr geruchsempfindlich, oder?

Ja, das stimmt. Wenn ich meinen Geruchssinn verlieren würde, wäre ich sehr sehr traurig. Ich mag Düfte, wenn mich etwas interessiert, „erlebe ich es“. Außerdem finde ich es schön, dass sie in mir lange verdrängte Erinnerungen hervorrufen können.

Wie war die Atmosphäre zuhause?

Im Großen und Ganzen war die Atmosphäre normal und meist angenehm. Ich wurde von jungen Eltern geboren. Meine Mutter war 19 und mein Vater 21 Jahre alt, er war noch beim Militär, als ich auf die Welt kam. Obwohl sie jung waren, waren sie sehr autoritär. Bei mir war, wie man so schön sagt, die „Kette“ sehr kurz. Viele Dinge, die für andere Kinder zum Tagesablauf gehört haben, konnte ich nicht tun, um vielleicht keine Probleme zu bekommen. Heutzutage erkläre ich das so, dass es wahrscheinlich an ihrer Unerfahrenheit, ihren Ängsten und auch ein bisschen an der Bequemlichkeit lag.

Kam in der Pubertät die Rebellion?

Woher wissen Sie das? In der Pubertät begann ich tatsächlich zu rebellieren, ich war die Schlaueste von allen, vieles an meinen Eltern störte mich und ich hatte ständig irgendwelche Argumente, womit ich meine Eltern ziemlich auf die Palme brachte. Eine Ohrfeige habe ich aber nur einmal bekommen.

Und wegen was?

Beim Sonntags Mittagessen sagte ich: „Hier schmatzt jemand wie ein Schwein.“ Mein Vater legte sofort sein Besteck hin, verpasste mir eine Ohrfeige, griff nach dem Besteck und aß weiter. Damit erledigte sich die Sache…

Gab es auch größere Probleme?

Nein. Ich war ein normales, braves mährisches Mädchen. Ich wundere mich, dass sie mir nicht mehr misstraut haben. Sie sagten mir oft: „Du bist schlau, du musst aufs Gymnasium. Und nicht, dass du mit achtzehn ein Kind hast…“ Mit achtzehn ein Kind zu haben, war wirklich das Letzte, was mir in den Sinn gekommen wäre. Sie machten sich unnötig Sorgen. Außerdem hatte ich es nicht wirklich eilig.

Ich habe vor kurzer Zeit mit ihnen darüber gesprochen, wie ich ihre Erziehung erlebt habe. Sie erzählten, dass sie sich mir gegenüber so verhalten haben, wie sich ihre Eltern ihnen gegenüber verhalten haben. Ich wandte ein, dass wenn ihnen das Gleiche in ihrer Jugend nicht gefallen hat, warum sie mich dann auch so erzogen haben… Nun weiß ich, dass dieses Thema für uns alle erledigt ist und es keinen Grund gibt, darauf zurückzukommen.

Ich persönlich sehe es anders. Ich versuche, das, was mir an meinen Eltern in meiner Kindheit und Jugend missfiel, meinem eigenen Kind nicht anzutun. Ich gebe zu, dass ich andere Fehler machen kann, aber ich versuche… zumindest diese Fehler nicht zu wiederholen.

Sie haben als Kind nicht nur gesungen, sondern auch Geige gespielt und Gedichte geschrieben. Waren das Ihre eigenen spontanen Interessen oder haben Ihre Eltern Sie auch ein bisschen dazu gedrängt?

Meine Eltern haben mich zu nichts gedrängt, da mir aber im Alter von sechs Jahren von Ärzten Herzgeräusche diagnostiziert wurden, konnte ich offiziell keinen Sport, keine Rhythmik bzw. Ballett machen. So wandte ich mich dem Gesang und der Geige zu. Ich besuchte die Musikschule in Přerov und den Kinderchor Přerováček. Außerdem nahm ich an Rezitationskursen teil.

Musik hat mich schon seit meiner Kindheit erfüllt und hat mir immer Spaß gemacht. Trotzdem war ich ein bewegungsfreudiges Kind und habe auf der Siedlung vor dem Haus auf dem Rasen und den Spielplätzen Sport getrieben. Dort haben mir die Mädchen, die zur Gymnastik gingen, Sternchen, Überschläge und Flickflacks beigebracht… trotz der Herzgeräusche, die in der Pubertät ohnehin verschwunden sind und mich eigentlich nicht einschränkten. Am Wochenende ging ich immer schwimmen, wodurch ich mich überhaupt nicht langweilte.

Wie kam es zu Ihrem Interesse an Poesie?

Meine Mutter hat Poesie immer sehr geliebt und konnte sie mir auch gut nahebringen. Sie war es, die in mir das Interesse an Gedichten weckte, weil sie sie mir vorlas. Poesie liebt sie bis heute. In den letzten vier Jahren arbeitet sie in Přerov als Trauerrednerin auf Beerdigungen und weiß, wo sie ansetzen und wie sie die Worte eines Dichters anwenden kann. Sie mag Jan Skácel und Oldřich Mikulášek sehr.

Zwei große Mährer.

Genau so ist es. Durch Poesie bietet sie den Menschen Trost und Mitgefühl…

Dank meiner Mutter nahm ich also an Rezitationskursen teil und nahm an verschiedenen Rezitationswettbewerben teil, bzw. auf Bezirks-, Landes- und schließlich auch auf Bundesebene.

Hatten Sie als Kind Lampenfieber?

Als Kind habe ich mich vor Lampenfieber buchstäblich geschüttelt – sowohl beim Rezitieren als auch beim Sologesang im Kinderchor. Wenn mein Solo näher rückte, ging es los… Ich finde es lustig, dass ich trotz Lampenfieber in meiner Kindheit professionelle Sängerin geworden bin. Es hat sich irgendwie verflüchtigt, mit der Zeit konnte ich mein Sologesang mehr genießen und die Freude überwog die Angst.

Einige sagen, Lampenfieber sei gesund, es sporne einen zu Bescheidenheit und einer besserer Leistung an. Ich sehe das aber nicht ganz so. Ich bin motiviert, meine Arbeit gut zu machen, und dazu brauche ich wirklich kein Lampenfieber, das meine Messlatte senkt.

Leiden Sie heute gar nicht mehr unter Lampenfieber?

Meistens nicht, wobei es aber aufkommen kann, wenn ich etwas Schwieriges erlebe…Beispielsweise wenn ich krank bin oder es einen schlechten Sound auf der Bühne gibt – auch damit kann ich aber umgehen. Ich kann mich beruhigen und auf das Wesentliche konzentrieren, so dass das Lampenfieber relativ schnell abklingt…

Wie erinnern Sie sich an Ihr Studium in Olmütz?

Ich erinnere mich sehr gerne an diese Zeit. Ich habe dort an der Philosophischen Palacký-Universität Tschechisch und Geschichte studiert. Der Studiengang hat mir Spaß gemacht, ich hatte auch tolle Freunde und in meiner Freizeit habe ich in zwei Bands gesungen – mit der Folkband Damiján und der Jazzband Znamení dechu. Zudem habe ich auch im Theater gespielt und mich der Rezitation gewidmet. Mit den Bands sind wir beispielsweise in Clubs und auf verschiedenen Festivals und Wettbewerben wie Porta, Rockfest, Klubová tvorba und vielen weiteren aufgetreten…

Sie haben auch Theater gespielt?

Ja, es war das Autorentheater namens „Malé S divadlo“ („S“ wie studentisches). Es spielte Stücke von Milan Valenta, der beispielsweise auch die Regie führte. Mit dem Ensemble fuhren wir zum Festival der Kleinen Bühnenformen nach Valašské Meziříčí, wo ich damals schon von Jarda Dušek und seiner „Vizita“ fasziniert war.

War das in der zweiten Hälfte der 80er Jahre?

Ja, genau. Als die Samtene Revolution kam, war ich im fünften Jahr meines Studiums. Ich habe 1990 mein Diplom gemacht, schon ohne den Ballast des Marxismus-Leninismus… Es war eine große Erleichterung, dass ich das nicht mehr lernen musste.

Welches Thema haben Sie für Ihre Diplomarbeit gewählt?

Zeitgenössische tschechische und slowakische humoristische Poesie. Das Thema haben wir zusammen mit meinem Betreuer gefunden, der wusste, dass ich gerne Poesie lese und dass sie mir nahe steht.

Wenn sich Ihr Leben so sehr um Poesie drehte – haben Sie auch mal selbst versucht zu schreiben?

Ich konnte in Ihren Augen sehen, dass Sie mir diese Frage stellen werden. Ich habe es eine Zeit lang versucht, es war aber alles Unsinn, um ehrlich zu sein… Weil ich nicht sehr geduldig bin und als Zwilling viele Interessen habe, habe ich noch nichts Vernünftiges geschaffen. Zum Schreiben muss man sich stets konzentrieren, immer wieder etwas „ausprobieren“, bis man eines Tages feststellt, dass einem etwas gelungen ist und man dahintersteht bzw. einfach zufrieden ist.

Und was ist mit Liedtexten?

Ich selbst habe auch noch nie einen Songtext geschrieben. Viele Menschen um mich herum wundern sich darüber, weil sie das Gefühl haben, dass ich das schaffen könnte. Ich nehme diese Dinge aber zu ernst, um etwas um jeden Preis zu schreiben. Ich habe einen ausgeprägten Geschmack und Sinn – und auch eine gewisse Selbstkritik.

Es kommt manchmal vor, dass mir ein professioneller Texter einen Text schreibt, der mir dann nicht gefällt, nicht zur Musik passt oder mit dem ich mich nicht identifizieren kann. Das ist dann häufig eine etwas eher unangenehmere Situation. Im Umkehrschluss rede ich nicht gerne darüber, da ich niemanden beleidigen möchte. Oft haben wir aber eine Lösung gefunden, da der Texter etwas Neues vorschlagen konnte, aber manchmal hat es leider auch nicht funktioniert. Unsere Arbeit ist auch ein ständiges Suchen…

Vielleicht bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als selbst mit dem Schreiben von Texten zu beginnen.

Es wäre natürlich echt praktisch, aber wie gesagt, ich bin anspruchsvoll und schaffe es zurzeit selbst noch nicht… Sie haben aber Recht, es würde mich echt freuen, wenn ich mir irgendwann mal einen schönen Text schreiben könnte, wie beispielsweise Hanka Zagorová, die wunderschöne Texte verfasset und die ich dafür aufrichtig bewundere.

Sie könnten es zumindest versuchen.

Vielleicht versuche ich es. Wie Petr Janda sagt: „Ich spiele ständig, komponiere ständig, dann werfe ich das meiste weg, aber etwas davon bleibt übrig.“ Und genau das ist der Weg zur Kreativität: Schaffen, schaffen und schaffen. Also theoretisch habe ich es drauf… (lachen)

Sie hätten sicherlich was zum Schreiben. Übrigens haben Sie angeblich auch auf der Straße gesungen.

Das war eine perfekte Lebensschule. Ich habe vor der Revolution mit der Band Koryto angefangen auf der Straße zu singen. Wir spielten auf verschiedenen „altprager“ Märkten, wie beispielsweise auf dem Ausstellungsgelände oder auch auf der Karlsbrücke in Prag. Unser Repertoire basierte auf Karl Hašler, altprager Liedern und auch auf mährischen Volksliedern, wir schöpften beispielsweise auch aus Sušila…

Wir spielten gut, die Musiker waren fabelhaft, wir wirkten locker und authentisch. Es hat mir wirklich Spaß gemacht hat und ich erinnere mich gerne an diese Zeit.

Was war das für eine Erfahrung?

Es war eine großartige Schule für mich. Eine Gelegenheit, mich völlig zu entspannen und ohne Lampenfieber aufzutreten. Auf der Karlsbrücke hatte ich keine Angst. Ich habe mir jedes Mal gesagt: „Hier habe ich nichts zu verlieren, aber ich kann etwas lernen. Und darüber hinaus wird man noch oft dafür direkt bezahlt.

Konnte man davon leben?

Auf jeden Fall. Wir haben nicht gleich alles nach dem Auftritt verbraten. (lachen)

Kommen wir nun zu einem historischen Wendepunkt, dem 17. November 1989. Wie hat die Samtene Revolution Ihr Leben beeinflusst?

Ich war begeistert, dass so etwas passiert! Am 17. November 1989 sollte ich mit der Band Znamení dechu im Brünner Hochschulclub auftreten. Natürlich fand nichts statt – es wurde darüber diskutiert, was in Prag los ist und dann ging es sofort los.

Ich war erleichtert, als ich im Wohnheim in Olmütz ankam und dort alle ebenfalls von diesen Ereignissen lebten. Der Funke sprang über, keiner hatte Angst und sofort bildete sich ein Streikkomitee. Bis auf wenige Ausnahmen beteiligten sich alle Studenten an den Aktionen, malten Plakate, verteilten sie und taten alles Mögliche…

Ich selbst habe damals unzählige Male Plakate mit der Aufschrift „Svobodu Standovi Devátému!“ geschrieben.

Ja, ich kann mich erinnern: Stanislav Devátý wurde im Sommer 1989 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, konnte aber vor seiner Verhaftung nach Polen fliehen, das damals schon frei war.

Es war eine intensive, aufregende Zeit voller Hoffnungen und Erwartungen. Die Menschen versammelten sich ständig, riefen Parolen, es pulsierte vor Leben, aber gleichzeitig – und das ist bemerkenswert – lief alles immer äußerst tolerant zu. Es war ein großer politischer Umbruch, der aber von Noblesse und Niveau geprägt war. Die Menschen tauschten sich aus, beschimpften sich nicht und gingen sich nicht wie heute an den Hals.

Ich war damals 22 Jahre alt und die Revolution verleihte mir von der ersten Minute an Flügel. Meine Eltern ermahnten mich zwar zur Vorsicht, und sagten „Misch dich bitte in nichts ein, sonst wirst du noch von dem Studium verwiesen“. Das ging aber zu einem Ohr rein und zum anderen wieder raus. Ich glaubte stark daran, dass diejenigen gehen würden, die mich verweisen wollten und nicht ich.

Die Euphorie der ersten Jahre nach der Revolution war unglaublich. Es war geschehen, was sich alle gewünscht hatten. Die Menschen waren glücklich.

Wie sind sie heute?

Viele sind leider verbittert, andere vermissen sogar das alte Regime, was ich allerdings nicht so wirklich verstehen kann.

Sind bezüglich der Thematik nur Zeitzeugen verbittert?

Nein, auf keinen Fall! Kürzlich habe ich mit einer jungen Person über dieses Thema diskutiert, die völlig von der aktuellen Kampagne der SPD überzeugt war. Es ist ein sehr heikles Thema, aber mir ist klar, dass die Demokratie hier nicht automatisch für immer Bestand haben muss. Außerdem muss man auch wachsam sein, seriöse Informationsquellen verfolgen und versuchen, sich in der heutigen lauten und oft unübersichtlichen Zeit zurechtzufinden. Ich stelle mir oft selbst die Frage, wem ich noch glauben kann…

Finden Sie nicht auch, dass Extreme Ansichten, die auf der Verbiegung und Verdrehung historischer Ereignisse beruhen, in der heutigen Gesellschaft immer häufiger werden?

Es ist ziemlich unpassend und ich finde es grausam und rücksichtslos, auch gegenüber den Zeitzeugen, die uns im Laufe der Zeit verlassen… Den Holocaust und Kriegsverbrechen anzuzweifeln, wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass das heutzutage überhaupt noch passieren könnte …

Also gibt es auch dreißig Jahre nach der Revolution noch etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt?

Ja, absolut, es ist noch nichts zu Ende!

In den neunziger Jahren war ich naiv bzw. unvernünftig, als ich dachte, Václav Havel – in meinen Augen ein absolut großartiger Mensch – hätte uns aus der Dunkelheit ins Licht geführt. Dieser Kampf ist das tägliche Pflegen unserer gemeinsamen Welt…

Sie erwähnen Václav Havel. Ihr ehemaliger Lebensgefährte und Vater Ihres Sohnes, Bořek Šípek, war nicht nur Havels Hofarchitekt, sondern auch ein enger Freund. Havels Sprecher Ladislav Špaček sagte dazu: „Sie bildeten ein unzertrennliches Paar und waren bis zu Havels Tod tiefgründige Freunde.“ Was war Václav Havel für Sie?

Václav Havel habe ich schon immer unglaublich geschätzt. Ich würdige auch seine Frau Dagmar dafür, dass sie sein Lebenswerk und seine Ideen weiterträgt und in die Welt hinausträgt. Dies tut sie unter anderem durch ihre Stiftung VIZE 97, die ein sehr breites und bewundernswertes Spektrum an Aktivitäten vertritt.

Ich selbst gehe sehr gerne zu verschiedenen Vorträgen in der „Prager Křižovatka“ (das internationale spirituelle Zentrum Prager Křižovatka in der entweihten Kirche St. Anna ist eines der Projekte der Stiftung Dagmar und Václav Havels VIZE 97; Anm. MO) und zur Verleihung der Preise dieser Stiftung. Dagmar initiiert verschiedene Begegnungen von Künstlern, Philosophen, Politikern, Wissenschaftlern und anderen Persönlichkeiten und verbindet Generationen, spricht junge Menschen an… Dafür habe ich großen Respekt, es ist eine ungemein verdienstvolle Arbeit: die Havelschen Ideale von Freiheit, Verantwortung und Zivilcourage aufrecht zu halten. Mit dem Tod von Václav Havel haben wir eine Persönlichkeit verloren, zu der wir aufgrund seiner Weisheit, seines Mutes und seines reinen Charakters aufschauen konnten…

Václav Havel war für mich das Symbol einer Person, die kompromisslos konsequent war und uns vor der gesamten Welt wunderbar repräsentierte. Er war nicht nur eine nationale oder europäische Figur, sondern eine weltweite intellektuelle und politische Berühmtheit. Wie viele Menschen, wie ihn haben wir? Und dass er ab und zu auch Fehler und Irrtümer hatte, wie Michael Žantovský in seiner Monographie so schön beschrieben hat? Ach ja, er war doch nur ein Mensch. Aber sein Mut und sein Herz sind unbestreitbar. Er konnte zu seinen Überzeugungen stehen, es ging nicht nur um das, was er sagte…

Die Gedanken von Václav Havel konnte ich auch in den Ansichten meines Ex-Partners Bořek Šípek bewundern. Wenn er sich für etwas entscheiden musste, dann stand das fest. Man konnte sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Er war geradlinig, fair, aber auch großzügig, freundlich und freigiebig… Er hatte Václav sehr gerne und obwohl er beruflich unglaublich ausgelastet war, nahm er sich gerne Zeit für Václav und arbeitete über seine Pflichten hinaus für ihn.

Ich fühlte mich immer geehrt, wenn wir Václav zu Hause in der Dělostřelecká-Straße oder in Hrádeček besuchen konnten. Auch er besuchte uns oft, besonders gerne ging er in Bořeks thailändisches Restaurant Arzenál in der Valentinská-Straße.

Nach der Revolution erhielten Sie ein Engagement im Theater Semafor. Das war sicher ein Meilenstein in Ihrer Karriere, oder?

Ja, definitiv. Ich war ungefähr fünf Jahre im Semafor Theater und es war sowohl eine große berufliche als auch menschliche Erfahrung. Herr Jiří Suchý ist ein wahres Genie… Er macht und kann so viel auf hohem Niveau: Texter, Dichter, Komponist, Theatermacher, Filmemacher, Grafiker, bildender Künstler, Regisseur… und bei dieser Aufzählung habe ich sicher noch viel vergessen… Das ist unglaublich! Er war Teil meiner Diplomarbeit, als ich noch keine Ahnung hatte, dass ich jemals mit ihm zusammenarbeiten würde. Ich liebte seine Lieder und Gedichte schon lange, bevor ich zum Vorsingen im Theater Semafor auftreten konnte. Er ist ein unglaublich freundlicher und tatkräftiger Mensch, ehrlich gesagt eine lebende Legende, eine Ikone. Er liebt Menschen und sie lieben ihn.

Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?

Letzten September. Er trat „bei sich im Theater“ gemeinsam mit dem Václav Marek Orchester auf. Er taufte ihre CD, zu der er selbst als Autor beigetragen hatte. Außerdem trat er auch live mit ihnen auf. Er sang und tanzte dabei leicht, plötzlich vergaß er den Text, blieb aber absolut ruhig, gestand den Fehler mit den Worten „Keine Angst, das kommt gleich wieder…“ Er sprang ein und fuhr fort. Nach dem Ende des Liedes sagte er: „Ich habe mich schon erinnert…“ – und um uns nichts vorzuenthalten, rezitierte er den vergessenen Text. Die Leute lachten und wir wurden von so einer gewöhnlichen menschlichen Stimmung, Aufrichtigkeit und all dem berührt, was wir an Jirka Suchý so lieben…

Kürzlich haben wir uns mit Sabina Laurinová darüber unterhalten, mit der wir noch in der Alfa-Passage gespielt haben. Wir waren uns einig, dass das Semafor großartig war, weil dort niemand etwas vortäuschte, Affekt und Falschheit hatten dort einfach keinen Platz…

Was tun Sie alles für Ihre Fitness? Denn Sie sehen wirklich gut aus…

Zuerst muss ich gestehen, dass ich viel Zeit für mich selbst habe, da mein Sohn fast erwachsen ist. Da ich freiberuflich tätig bin, gehe nicht in die Arbeit und es liegt an mir, wie ich mir meine Zeit einteile… Wie sehr ich mich meinem Beruf, dem Gesang, dem Sport, der Bildung usw. widme. Ich habe meine Zeit noch in der Hand und das gibt mir eben die Freiheit – Freiheit in dem Sinne, dass ich allein entscheide, womit ich meine Zeit fülle, wie ich damit umgehe und in was ich sie investiere.

Ich versuche, regelmäßig Sport zu betreiben, schon weil ich vor Jahren Schulterprobleme hatte. Ich gehe regelmäßig schwimmen, mache Yoga, gehe joggen, fahre Fahrrad und im Winter fahre ich Ski. Darüber hinaus versuche ich, so oft wie möglich in die Natur zu gehen. Auch eine gesunde Lebensweise liegt mir am Herzen, ich bevorzuge Qualität vor Quantität.

Infolgedessen bin ich viel ruhiger geworden. Die kritische und ständig unzufriedene Stimme in mir ist verklungen. Es ist zwar nicht komplett verschwunden, aber es kommt definitiv viel weniger vor. Es ist eine Art Weg für mich geworden…

Und Ihr Essensplan?

Heutzutage schmecken mir gesündere Gerichte besser. Nicht, dass ich keine Ente oder einen Schweinebraten mit Knödel und Sauerkraut essen würde, aber ich esse öfter leichte Gerichte. Ich mag beispielsweise Gemüse, kann gut mit Hülsenfrüchten kochen und liebe leichte Cremesuppen usw. Fette Speisen sagen mir schon lange nichts mehr und auf Süßes habe ich auch keinen großen Appetit. Ich bin eigentlich auch nicht mehr gewöhnt, nach dem Essen müde zu sein. Gleichzeitig muss ich mir aber auch etwas gönnen. Essen ist ein Geschenk und ein großer Genuss im Leben, auf den man auch ab und zu verzichten sollte. Ich achte auch darauf, ausreichend Vitamine und Mineralstoffe aus frischen Zutaten zu essen.

Und wie stehen Sie zu Nahrungsergänzungsmitteln?

Ich habe eine große Vorliebe für Kräuter. Ich trinke gerne verschiedene Teesorten und habe mit ihren Abkochungen schon so manches Hautproblem oder Verdauungsproblem geheilt. Ich beobachte die „vier Jahreszeiten“ und nehme wahr, was mir die Natur in jeder Form bietet.

Dank meiner Freundin Martina Stoklasová, die in der Firma SUPERIONHERBS arbeitet, habe ich die Gelegenheit von Nahrungsergänzungsmitteln näher kennengelernt. Eines Tages schenkte sie mir freundlicherweise ganzes Paket. Da ich bereits ein wenig Vorwissen bezüglich dieser Thematik hatte, begann ich sie mit Zuversicht auszuprobieren …

Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen kann ich sie nur weiterempfehlen. Ich nehme Reishi hauptsächlich im Herbst in meinen Essensplan auf, da es deutlich meine Immunität stärkt. Ich habe auch meinen Sohn und meine Eltern dazu gebracht, sie zu nehmen – und ich bin froh, dass es uns allen gut tut.

Wenn jemand Reishi-Pilze einnehmen möchte, kann ich ihm guten Gewissens die Firma SUPERIONHERBS empfehlen, da sie mit Abstand die besten Extrakte in Spitzenqualität und aus kontrolliertem Anbau anbietet.

Gleichzeitig glaube ich aber nicht, dass mich irgendein Nahrungsergänzungsmittel retten kann. Ich möchte noch einmal betonen, dass ein gesunder Lebensstil ein sehr komplexes Thema ist. Möchte man es ernst nehmen, dann muss man ehrlich zu sich selbst sein und sich ansehen, wie es einem mit Schlaf, Alkohol, Stress und der Beziehung zu sich selbst geht…

In einem Interview meinten Sie, dass es eine lebenslange Aufgabe und ein Prozess ist, sein Ego zurückzustellen. Das hat mich recht nett überrascht, da die Egos von Showbusiness-Stars nicht meistens sehr zurückhaltend sind. Wie finden Sie Ihren Weg zur inneren Ganzheit? Sind Sie gläubig?

Ich bin immer noch auf der Suche… Manchmal sage ich scherzhaft, dass ich es bereue, nicht zum Glauben geführt worden zu sein. Ich denke, der Glaube ist für Gläubige eine große Stütze in guten wie in schweren Zeiten, eine Art Kompass… Der Glaube ist eine große Hilfe bei der Suche nach der Wahrheit… Das Suchen eines gläubigen Menschen kann sicherlich auch schmerzhaft sein, aber vielleicht doch weniger als das Suchen von uns, denen die Gabe des Glaubens nicht gegeben wurde. Ich weiß schon lange, dass der Glaube eine Stütze ist – und keine Krücke, wie man manchmal mit Humor sagt. Der Glaube bietet Orientierung – er benennt klar das Gute und das Böse. Wenn man sich an seine Regeln hält, dann ist es, selbst wenn man merkt, dass man ausgerutscht ist und gefallen ist, einfacher, sich wieder aufzurichten und den Weg weiterzugehen.

Persönlich muss ich gestehen, dass ich mich in den letzten Jahrzehnten mehr für das interessiert habe, was östliche Kulturen zu bieten haben. Mir gefällt, dass die Philosophie östlicher Kulturen und Religionen den Menschen auch mit seinen Fehlern respektiert, freundlicher zu ihm ist und nicht so sehr über seine Mängel schimpft. Mir gefällt auch, wie sie den Wert auf den gegenwärtigen Moment legt, auf authentisches Erleben, Beruhigung und Bewusstmachung des Lebens und Dankbarkeit dafür. Ich interessiere mich auch für Themen wie das Mitgefühl und die Vergebung.

Haben Sie auch Freunde unter Christen?

Ja, und ich genieße ihre Gesellschaft. Ich würde niemandem seinen Glauben absprechen, auch wenn mir das Konzept der Sünde, wie ich schon sagte, nicht fremd ist. Ich lasse alles zu und gebe damit auch mir selbst eine gewisse Freiheit. So lebt es sich für mich besser, auch wenn es mir noch nicht zu vollkommener Versöhnung geführt hat. Immer wenn jemand stirbt, der mir wichtig ist, ist das schrecklich für mich. Ich vermisse diese Person sehr, leide und kann mir hundertmal sagen, dass es eine andere weitere Dimension gibt, es hilft nichts…

Ich bewundere alle, die in ihrer spirituellen Entwicklung so weit sind, dass sie den Tod ihrer Lieben in Frieden akzeptieren können. Das schaffe ich noch nicht.

Mir hat echt gut gefallen, wie Sie in der Show „Tvoje tvář má známý hlas“ den Hit „Singing in the Rain“ gesungen haben. Es ist ein Lied, das ich echt mag, eine schöne und witzige Feier des Lebens und der Liebe. Gibt es noch etwas, das Sie im Leben erreichen möchten, oder lassen Sie das Leben einfach fließen und singen im Regen?

Nein, ich habe immer noch einige verschiedene Wünsche – private, als auch berufliche. An die Rente bzw. Pension denke ich noch lange nicht und kann mir auch nicht vorstellen, sie jemals zu planen. Ich bin ein aktiver Mensch, der sich auf der Bühne sehr wohl und glücklich fühlt. Also werde ich solange weiter machen, solange ich singen kann und es jemand gerne hören wird…

Was wünschen Sie sich am meisten?

Dass ich mich glücklich fühle und das Gefühl habe, dass es den Menschen mit mir gut geht. Und dass sich an meinem „imaginären“ Himmel ein neuer Stern entzündet.

Das wünsche ich Ihnen sehr, Leona. Vielen Dank für das Gespräch!

 

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